Women for Women


Interview mit Helen Woltering
Gründerin Wild Women Studios


21. April 2023

Über Helen Woltering

Nach mehr als 10 Jahren nationaler und internationaler Erfahrung in der Werbe- und Medienbranche hat Helen den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Auf der Suche nach ihrem „Sweet Spot“ und dem „Sinnstiftenden“ in ihrer beruflichen Tätigkeit, begann sie während ihrer Zeit als Kreativdirektorin eines internationalen Medienunternehmens ihre Ausbildung zum Systemischen Coach und gründete wenig später ihre eigene Branding Agentur „Wild Women Studios“. Seit fast drei Jahren begleitet Helen Unternehmerinnen und frauengeführte Brands durch den Branding Prozess, erarbeitet gemeinsam mit ihnen heraus, was sie einzigartig macht und lässt dies in einem stimmigen Erscheinungsbild nach Außen sichtbar werden. Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz führt sie Marken und Menschen nicht nur zu einer starken Präsenz, sondern bestärkt sie auch in der Entwicklung ihrer Identität als Leader:innen von morgen.

Liebe Helen, du hast dein Studium im Ausland absolviert, den Bachelor in den Niederladen den USA und deinen Master in London, UK. Welchen Einfluss hat dein internationaler Werdegang auf deine jetzige Tätigkeit und welche Erfahrungen kannst du teilen?

Einen extrem großen Einfluss tatsächlich. Ich habe mich immer schon zu dem US und UK Markt hingezogen gefühlt, weil sie dem deutschen Markt (gerade in dem Bereich, in dem ich tätig bin) weit voraus sind. Als Innovationsliebhaberin und Visionären fühlte ich mich dort genau richtig.
Auch in den Niederladen habe ich gemerkt, dass Vieles fortschrittlicher war (und immer noch ist) im Vergleich zu Deutschland. Meine Universität sah eher aus wie eine Agentur und nicht wie eine Uni. Ich habe nie Klausuren geschrieben, sondern immer Projekte als Abschlussarbeit umgesetzt, so habe ich neben Marketing und Business Know-How früh gelernt in die Umsetzung zu gehen, z.B. eine TV Serie zu produzieren, eine Website zu designen oder ein Magazin zu gestalten - um ein paar konkrete Beispiele zu nennen. Das hat mich sehr schnell sehr gut werden lassen in dem, was ich tue.

Zudem haben Werbung, Branding, vor allem auch Personal Branding einen viel höheren Stellenwert im US oder UK Markt und wir können so viel davon lernen und den Fortschritt auch nach Deutschland bringen. Vor allem meine Zeit am London College of Fashion hat mich als Kreativschaffende grundlegend transformiert. Ich war selten in einem so unterstützenden, kreativen und innovativen Umfeld. Hier wurde bereits die Idee des eigenen Businesses geboren.
Hinzu kommt natürlich auch die interkulturelle Bereicherung. In London studierte ich mit Menschen aus der ganzen Welt. Menschen von jedem Kontinent waren in meinem Studiengang vertreten, das war wahnsinnig inspirierend. Ich habe unglaublich viel gelernt und schöpfe bis heute aus den wertvollen, internationalen Kontakten.
Sich am internationalen Markt zu orientieren oder sich davon inspirieren zu lassen hilft vor allem auch sich im lokalen Markt abzuheben. Ich habe schon oft von Kund:innen gehört, dass mein Branding sehr kosmopolitisch wirkt - mich freut es immer total, denn das bedeutet, dass diese für mich so prägenden Einflüsse sichtbar und spürbar sind.

Deine Branding Agentur heißt „Wild Women Studios“. Warum hast du diesen Namen gewählt und was bedeutet der Name für dich?

Ich zerdenke oft viel, aber dieser Name kam schnell und intuitiv. Der Name ist gleichzeitig meine Vision.
Wild bedeutet für mich den Mut zu haben, man selbst zu sein, quasi zu „entlernen“ was gesellschaftlich als „normal“ oder akzeptable gilt, sich zu lösen von den utopischen Vorstellungen wie ein Mensch, besonders eine Frau „zu sein hat“, „auszusehen hat“ usw. In patriarchalen Strukturen werden die Unsicherheiten von Frauen maximal geschürt. In diesem Kontext ist das wildeste, was wir wahrscheinlich tun können, uns selbst zu lieben und wertzuschätzen. Wild bedeutet die Verbindung zum eigenen Wesenskern und den eigenen Werten bewahrt zu haben. Es gibt in uns Frauen einen Teil, der mit zeitlosem Wissen ausgestattet ist. Hierbei geht es nicht um faktisches Wissen, sondern um intuitives Wissen. Das Wissen dürfen und sollten wir durchaus auch im Business-Kontext verwenden. Frauen mit Zugang zur „wild woman“ Energie sind Gamechanger.
Das Wort women beschreibt für mich eine geballte Kraft an Kreatur:innen aller Art, die im Kollektiv unfassbar stark sind und in meinen Augen sehr schnell, sehr viel verändern können und elementar sind für den gesellschaftlichen Wandel.
Das Studio ist eines meiner liebsten Arbeitsumgebungen, ein Ort, an dem kreative Menschen zusammenkommen, um etwas Neues zu erschaffen.

Warum ist Personal Branding für Frauen wichtig? Welche (3) Tipps, in Bezug auf Personal Branding, sollte jede Frau berücksichtigen?

Personal Branding ist wichtig für Frauen, damit sie selbstbewusst und authentisch mit ihrer Arbeit in die Sichtbarkeit gehen. Hier geht es um viel mehr als nur Marketing oder PR. Es geht darum, eine Selbstsicherheit für die eigenen Talente und Stärken zu entwickeln. Es geht darum, was die jeweilige Frau in einer absolut einzigartigen Kombination mitbringt.
Ich erlebe immer wieder, dass Frauen, die wahnsinnig talentiert sind und wirklich was zu sagen haben, sich eher im Hintergrund halten. Das ist so schade, weil hier so viel Talent und Potential unterdrückt wird. In meinen Coaching-Sessions überprüfe ich deshalb gerne die Glaubenssätze zu den Themen „Sichtbarkeit“ oder “Selbstvermarktung”, also was denkt die jeweilige Frau über sich in Bezug auf Marketing, Sales und Branding? Ist es für sie ein unangenehmes Anbieten und Aufdrängen, oder ein ehrliches Verbinden mit potentiellen Kund:innen oder Klient:innen, denen sie durch ihre Talente helfen kann? Der Kontext ist oft Key. Im Grunde geht es darum, Raum einzunehmen.
3 Tipps, die Frauen in Bezug auf ihr Personal Branding unterstützen:
1. Finde dein Thema, deinen beruflichen Sweet Spot und schau, welche Fähigkeiten, Talente und Interessen du hast und welches Kernthema oder welche Kernthemen sich daraus ergeben.
2. Finde deinen Signature Style - wer kopiert, verliert! Nichts wirkt so anziehend wie dein eigener Style. Finde ihn in deiner Tonalität, deinem Angebot, deiner Bildsprache, deinem Design und in deiner Kleidung, denn auch diese hat die Power deine Botschaft zu unterstreichen.
3. Finde heraus wie du sichtbar werden willst. Hier gibt es keine „one size fits all“. Mein Tipp: fokussiere dich auf ein Medium, besonders wenn du am Anfang deiner Personal Branding-Reise stehst. Wähle etwas, das dir leicht fällt, womit du Freude hast: für die eine ist Instagram oder ein Podcast, für jemand anderen LinkedIn oder ein Blog - hier gibt es nicht den einen Weg, sondern deinen individuellen Weg.

Im März war der International Women’s Day. Was ist dir persönlich wichtig in Bezug auf Women Empowerment?

Mir ist wichtig, dass die politische Tiefe des Feminismus sichtbar gemacht wird. Nur irgendwelche Empowerment-Parolen als Marketingmaßnahme zu nutzen, hat absolut keinen Mehrwert und spielt dem kapitalistischen System in die Karten. Hierzu tragen auch Frauen bei, beispielsweise indem sie sich gegeneinander ausspielen, sich nicht unterstützen, schlecht übereinander reden - die Liste ist lang. Das schließt für mich auch das Bewusstwerden der Privilegien als weiße Frau mit ein und das Erkennen von „white feminism“ – auch ich habe hier schon unangenehme Begegnungen mit mir selbst und meinen Privilegien gemacht, aber ohne diese Konfrontation machen wir keinen Fortschritt. Mir ist vor allem wichtig, dass Feminismus und Women Empowerment Bewegungen niemanden ausschließen und nicht nur mit dem weiblichen Geschlecht assoziiert werden. Echter Feminismus bezieht jeden Menschen mit ein, egal welcher sexueller oder geschlechtlicher Orientierung, egal welcher Hautfarbe oder Herkunft. Zusammengefasst ist echtes Empowerment inklusiv, tiefgründig und reflektiert.

Als Gründerin und Unternehmerin fallen viele verschiedene Themen an. Wie sieht dein Tagesablauf aus?

Es gibt Tage an denen ich konzeptionell und strategisch arbeite, sprich ich kreiere Design Briefings, Pitch Decks, bereite Vorträge oder Workshops vor aber auch neue Ideen und Content für Wild Women Studios.
Dann gibt es Tage, die mit Kundinnen Calls, Terminen oder Workshops gefüllt sind und sogenannte „Action-Tage“, an denen ich am Set bzw. im Studio bin, wenn ich Fotoshootings oder Videoproduktionen leite.
Oft arbeite ich aber auch an meinem Unternehmen also an der Kommunikation nach Außen, meinem eigenen Branding, meinen Angeboten und Produkten.
Und natürlich nicht zu vergessen - die Admin-Tage, an denen ich mit meiner Steuerberaterin an der Buchhaltung und der Steuer arbeite.

Auf Bildern bist du oft in schönen femininen Kleidern, sowie in leichten und fließenden Stoffen zu sehen. Was trägst du am liebsten? Worauf achtest du bei deiner Kleidung?

Ich trage am liebsten weite Sachen: lange Kleider und weite, legere Anzüge. Mir ist wichtig, dass meine Werte in meiner Kleidung vertreten sind. Freiheit ist mein höchster Wert, weite Kleidung gibt mir das Gefühl, mich frei bewegen und frei ausdrücken zu können. Gleichzeitig darf der Schnitt jedoch feminin sein und meine Silhouette zeigen.

Auch, wenn es für Viele oft schwer vorstellbar ist: ich besitze extrem wenig Kleidung. Mein Geheimnis ist: richtig kombinieren. Das habe ich von meiner Mutter gelernt, die hat mir bereits früh beigebracht wie ich aus wenig viel rausholen kann und dass es sich lohnt, in ein richtig gutes Teil zu investieren, statt in 10 Schlechte. Das ist bis heute mein Credo und das gebe ich auch an meine Kund:innen weiter. Ich achte bei jedem Kauf darauf, ob das neue Teil mit meinen bestehenden Kleidungsstücken gut kombinierbar ist. Nur wenn das der Fall ist, darf es mit.
Mir ist wichtig, dass Mode als Form des kreativen Selbstausdrucks gesehen wird und nicht als Statussymbol. Unsere Kleidung ist eine Erweiterung unserer Persönlichkeit, sie sagt so viel und dafür müssen wir nicht mal ein Wort gesprochen haben.

Welche Farben trägst du am liebsten

Die Farben aus meiner persönlichen Farbpalette, die ich gemeinsam mit unserem Partner studio RAH Colours in Mailand entwickelt habe. Diese Farben basieren auf einem neurowissenschaftlichen Farbtest und filtern die Farben heraus, zu denen wir im Laufe unseres Lebens schöne Emotionen abgespeichert haben. Das führt dazu, dass wir uns an diesen Farben nie satt sehen und uns gut fühlen, wenn wir sie tragen oder uns mit ihnen umgeben z.B. in unserer Kleidung, unserem Office, oder unserem Zuhause. Ein sehr nachhaltiger Ansatz. Ich mag tendenziell pastellige, sanfte Farben: dusty pink, mintgrün, aber auch khaki oder ein warmer Beigeton zum Beispiel. Gerne auch in Kombination mit schwarz oder einem Petrolblau.

Was hast du für dieses Jahr geplant? Worauf können wir uns freuen?

Auf mein neues Signature-Programm und Onlinetraining „The Art of Building a Brand“, der dieses Jahr launchen wird. Der Kurs soll Unternehmerinnen, Angestellten und Business Ownerinnen helfen, in ihrem eigenen Tempo und ortsunabhängig ihre (Personal) Brand aufzubauen oder aufs nächste Level zu bringen und sich selbstbewusst und souverän als Expertin zu positionieren


Unternehmen: Wild Women Studios

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